Die Penisfeder auf dem Eisberg

Es traf sich, dass eine auf verschiedenen Ebenen sehr stressintensive Phase meines Lebens mit der Planung des Jubiläums der IG BDSM zusammenfiel. In der Woche nach dem Jubiläum entstand dieses Bild. Vieles, was darin zum Ausdruck kommt wurde am Jubiläum auf die Spitze getrieben, deshalb möchte ich darauf etwas näher eingehen.

Ich hatte also irgendwann mal die wahnsinnige Idee, ein dreitägiges Jubiläum zu organisieren. Zum Glück hatte ich ein wunderbares Team hinter mir, welches den Grossteil der Arbeit leistete. Und weil ich wusste, dass das Jubiläumswochenende sehr anstrengend wird, habe ich mir die Woche davor so gut wie möglich freigehalten. Trotzdem merkte ich, dass ich, auch wegen anderer Baustellen, ziemlich am Limit meiner Energiereserven war.
In den Tagen vor dem Jubiläum habe ich oft hin und her überlegt, ob es nicht besser wäre, meine Teilnahme abzusagen, habe dies aber aus verschiedenen Gründen nicht über mich gebracht. Und bin immernoch froh, dass ich es nicht gemacht habe.

Das Wort Ambivalent beschreibt das Wochenende wohl für mich am besten. Ich befand mich in einem ständigen Wechsel zwischen Stress, Überforderung, Freude, Leidenschaft und vielen anderen Gefühlen. Wechselnd am Arbeiten, Spielen, Reden…

So zeigte es sich schon am Samstagmorgen, nachdem ich in der Nacht nicht schlafen konnte, dass ich nicht würde leisten können, was ich gerne leisten würde. Also habe ich das allernötigste gemacht und mich zum Ausruhen zurückgezogen. Wie das aber manchmal so ist, hatten sowohl mein Körper als auch mein Kopf und meine Emotionen andere Pläne. Anstatt mich also frustriert von einer zur anderen Seite zu drehen hat sich mein Trotz durchgesetzt, ich mir imaginäre Masken angezogen, mich aufgehübscht und mich ins Getümmel gestürzt. Da das Orgateam wusste, dass ich nicht ganz fit bin, musste ich zum Glück nicht mehr viel machen und konnte das Fest, das Beisammensein mit vielen tollen Menschen und das eine oder andere Spiel geniessen. Und es war überwältigend schön!

Als es schon sehr spät war, überraschte ich mich mit Panikattacken als Reaktion auf ein Spiel, bei dem ich niemals damit gerechnet hätte. Ich wurde aber wunderbar aufgefangen, umsorgt und ins Bett gebracht.
Nur, auch in dieser Nacht war mein Körper leider nicht gewillt, zu schlafen. Was sich am nächsten Morgen sehr deutlich zeigte, als mein Kreislauf so schwach war, dass ich nicht mehr alleine laufen konnte. Es ist wunderschön und ich bin so dankbar, dass ich auch in diesem Moment von meinem Umfeld unterstützt wurde, man mich in ein Bett abseits von der Party brachte, mir Medikamente gab und all meine Aufgaben übernahm. Ich hatte zu keiner Zeit Angst, dass der Event darunter leiden könnte. Dies bestätigte sich, als ich irgendwann geweckt und mir gesagt wurde, dass das Aufräumen gut voran geht und ich gleich nach Hause gefahren werde. Dort angekommen wurde ich verabschiedet mit den -auf meine Kunst bezogenen- Worten “Penise verbinden”.

Um das Ganze zusammenzufassen, ich bin über Wochen auf einen körperlichen und emotionalen Zusammenbruch hingeschlittert, habe dieses Schlittern am Jubiläum aufs Maximum konzentriert, meine letzten Reserven aufgebraucht und der Zusammenbruch ist gekommen. Ich habe Montag und Dienstag noch völlig im Nebel verbracht, aber trotzdem am Montagabend im Versuch, mich aus dem Nebel zu ziehen, begonnen ein Bild zu machen.

Angesichts der Abschiedsworte begann ich, einen Penis zu formen, wusste aber da schon, dass es irgendwie auch eine Feder sein soll. Als die Penisfeder fertig war, fehlte noch etwas an dem Bild, ich war nicht ganz sicher, was es sein soll, aber es hatte auf jeden Fall die Form eines Berges, welcher auch ein Aschehaufen hätte sein können.

Irgendwann am Dienstag bin ich aus dem Nebel aufgewacht, habe verstanden wie und warum es zum Zusammenbruch kam. Habe realisiert, dass es vorbei ist und zumindest dieser Stressfaktor jetzt wegfällt.
Währenddessen bekam die Feder Farbe. Ich wusste von Beginn an, dass sie brennen sollte, aber es brauchte einige Schichten, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Der Eisberg war aber schon nach dem ersten mal richtig angemalt. 

In derselben Woche haben sich auch einige andere Dinge geklärt und weitere, grosse Stressfaktoren sind weggefallen. Ich merkte von Tag zu Tag, wie es mir besser ging.

Jetzt, mit dem Abstand von ein paar Wochen betrachtet, bereue ich nichts. Ich konnte zu dem Zeitpunkt, als die Planung anfing, nicht wissen, dass ich sonst noch so grosse Baustellen in meinem Leben haben werde. Ich hätte mich zurück ziehen können, ich bin sicher der Event wäre trotzdem gut geworden. Vielleicht hätte ich dadurch den Zusammenbruch verhindern können. Aber ich bin froh, habe ich es nicht gemacht. Weil ich auch viele wunderschöne Erlebnisse hatte. Weil es mir in Extrema gezeigt hat, wie sehr ich mich auf mein Umfeld verlassen kann. Wie viele gute Menschen es gibt, die gerne helfen. Für all diese Menschen ist dieser Text. Als ganz grosses Danke, und vielleicht auch, um besser Verstehen zu können. Ihr alle hättet es verdient, dieses Bild geschenkt zu bekommen, da es aber nur einmal existiert, behalte ich es vorerst für mich.
Als Erinnerung, dass wir gemeinsam Grosses leisten können. Dass Grosses manchmal einen Preis hat. Dass er es manchmal wert ist, gezahlt zu werden. Es war eine sehr wertvolle Erfahrung, im Schönen wie im Schwierigen. Und diese Erfahrung hat mich vieles über mich gelehrt, was ich für die Zukunft mitnehme. Um vielleicht keinen solchen Zusammenbruch mehr zu haben.

Kurz zusammengefasst was das Bild für mich bedeutet.
Ich bin unkontrolliert brennend auf dem Eisberg balanciert, ich bin darauf verbrannt und habe mich neu entzündet. Ich lebe, und ich versuche das Leben in all seinen unterschiedlichen Facetten anzunehmen und zu geniessen.